Lesen Besuchende überhaupt noch Texte?
Wie man mit mehrsprachigen Audiotouren das Publikum erreicht.
„Hallo, ich bin Elin und bin elf Jahre alt. Während eines halben Jahres habe ich mich mit Harald Naegeli auseinandergesetzt und fand ihn richtig cool. Deshalb habe ich eine Tour für euch vorbereitet. Ich werde euch meine Lieblingsfiguren vorstellen!“
So beginnt der Spaziergang der elfjährigen Elin, die eine eigenen Audioguide zum berühmten Sprayer von Zürich realisiert hat.
Dank des Projekts „Schule im Museum“ konnten die beiden Viertklässlerinnen Elin und Helena eine Graffiti-Tour durch Zürich gestalten. Doch was genau heißt das? Schülerinnen und Schüler besuchen während eines halben Jahres einmal pro Woche das Musée Visionnaire für eine intensive Auseinandersetzung mit Kunst und dem Museum. Elin und Helena waren vom Werk Harald Naegelis besonders fasziniert. Neben viel Eigeninitiative wurden die jungen Kunstdetektivinnen von zwei Profis unterstützt: Anna-Barbara Neumann, die Geschäftsleiterin der Harald Naegeli Stiftung und engste Mitarbeiterin des Künstlers, sowie Manuela Hitz vom Musée Visionnaire begleiteten das Projekt.
Elin hat ihren eigenen Audioguide aufgenommen. Mittlerweile erfreut sich die Tour großer Beliebtheit und wurde auf diversen Kanälen beworben. Vom Tagesanzeiger über Ron Orp, den Kinder-Kultur-Kalender (kikuka) und viele weitere Seiten berichteten bereits über das kostenlose Angebot des Audioguides für Familien. Auch die Nutzungsstatistik beweist, dass das Angebot ein großer Erfolg ist.
Das Beispiel zeigt einmal mehr: Audioguides müssen einfach sein – sowohl für diejenigen, die den Guide erstellen, als auch für die Hörer:innen, die den Guide nutzen. So kann man spannende Geschichten vermitteln und sich auf das Storytelling fokussieren. Insgesamt gibt es bereits 5 Audioguides rund um Harald Naegelis Werk – für Erwachsene und Kinder.
Um die Auseinandersetzung mit Geschichte, Wissenschaft und Kultur, aber auch die Medienkompetenz und Neugierde von Kindern und Studierenden zu stärken, freuen wir uns über jeden Beitrag. Deshalb unterstützen wir beispielsweise Schulklassen und Hochschulangebote mit einem kostenlosen Audioguide.
Doch vielleicht fragen Sie sich: Wer ist dieser ominöse Sprayer überhaupt? Die faszinierende Geschichte beginnt in den 1970er Jahren. Damals sorgte der „Sprayer von Zürich“ erstmals für Aufruhr. Über Nacht tauchten Graffiti in Zürich auf. In den folgenden Jahren entsteht ein Mythos um den unbekannten Künstler, dessen Werke damals hauptsächlich als Vandalismus gesehen wurden. Hunderte Anzeigen wegen Sachbeschädigung und ein Kopfgeld werden ausgerufen. 1979 wird Harald Naegeli auf frischer Tat ertappt und erstmals festgenommen. In den folgenden Jahren reist er und arbeitet an verschiedenen Orten. Im Juni 1981 wird er in Zürich wegen wiederholter Sachbeschädigung zu neun Monaten Haft und hohen Zahlungen verurteilt. Auch wenn Naegeli sich der Verhaftung vorerst entziehen kann: Er wird international zur Fahndung ausgeschrieben. 1983 gerät Harald Naegeli schließlich in eine Passkontrolle und wird entdeckt. 1984 folgt die Auslieferung in die Schweiz. Nach seiner Haftstrafe verlässt er die Schweiz und verbringt die folgenden Jahre in Düsseldorf. Auf einer Online-Plattform und mittels unterschiedlicher Audioguides kann man die Vielfalt der Graffiti in Zürich und Düsseldorf nachverfolgen.
Naegeli zeichnet bis heute und schafft fortlaufend neue Werke. Für einen Überblick sei auf die Harald Naegeli Stiftung verwiesen. Die Biografie liefert sicherlich Material für mehr als eine Dokumentation: Der Film „Harald Naegeli – Der Sprayer von Zürich“ liefert einen tollen Einstieg für alle, die etwas mehr zu den Hintergründen erfahren wollen.
Das Beispiel zeigt, wie junge Schülerinnen die Geschichte der zeitgenössischen Kunst für sich entdecken können – und wie die breite Öffentlichkeit davon profitieren kann. Wir freuen uns zudem, dass Elin und Helena nun auch eine physische Plattform bieten: Zielgruppe sind Kinder zwischen acht und zwölf Jahren.
Wie werden grossartige Audio-Erlebnisse geschaffen?